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1. Treffen in Kissamos, 21. – 24.03.2022

Biodiversity meets music – erstes Treffen der Projektpartner in Kissamos (Kreta, Griechenland)

Wir haben lange dafür gearbeitet und es noch länger herbeigesehnt, über die Reisen im Erasmus+-Projekt „Biodiversity meets music“ endlich auch den direkten Austausch der Schüler und Lehrer im Projekt zu ermöglichen. Daher sind wir sehr erleichtert, dass nun mit den Reisen nach Kissamos (Kreta) und Sevilla (Andalusien) die ersten Austauschreisen stattfinden können, auch wenn die Auswirkungen der Covid-Pandemie, der Krieg in Osteuropa und die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten uns immer wieder vor Aufgaben stellen, die oft unüberwindbar scheinen, angesichts des Werts, den solche Reisen darstellen, aber trotzdem mit unglaublichem Elan und Ausdauer aller an der Umsetzung des Projekts beteiligten Personen angegangen und gemeistert werden.

Und so konnte es am 20.03.2022, nach 1½ Jahren ohne Reisemöglichkeit, endlich losgehen. Aus verschiedenen Regionen Europas (Spanien, Lettland, Norwegen, Italien und Deutschland) machten sich Gruppen von meist zwei Lehrern und etwa fünf Schülern auf den Weg, um unsere Partner in Kissamos (Kreta) zu besuchen. Einige Gruppen trafen sich bereits am Flughafen in Athen, von wo aus sie die letzte Stunde mit demselben Flugzeug nach Chania flogen. Am späten Abend brachte uns der Fahrer eines Kleinbusses in das einzige Hotel in Kissamos, das zu dieser frühen Jahreszeit noch geöffnet war. Froh, die Reise ohne größere Schwierigkeiten überstanden zu haben, bezogen wir unsere Zimmer und ahnten, dass das Wetter wohl nicht den üblichen Erwartungen an Kreta entsprechen würde – selbst im März. Die Palme und die Tanne (Araucaria heterophylla) am Pool raschelten heftig im Wind, und der Regen peitschte gegen die Verandatüren.

Tag 1 – 21.03.22

Am nächsten Morgen traf man sich mit den Gruppen der Partnerschulen, wobei sich die Lehrer, die sich ja teils schon aus zahlreichen vorangegangenen vrituellen Meetings kannten, direkt zusammensetzten und sich über ihre Anreise austauschten, während die Schülern meist noch getrennt an ihren Tischen saßen und teils noch etwas müde das reichhaltige und leckere Frühstücks-Buffet genossen. Jeder hatte da so seine Vorlieben, sie es der lebensnotwendige Kaffee, der frisch gepresste Orangensaft oder die köstlichen kretischen Backwaren.

Gegen kurz vor 9.00 Uhr wurden wir von A. Kouroupi, der Koordinatorin des Projekts an der Schule in Kissamos, begrüßt und zur Schule begleitet. Dort wurden wir von allen Schülern, Lehrern und Schulleiter herzlich empfangen. Die Erasmus-Schüler aus Kissamos begrüßten uns mit traditionellen Liedern und Tänzen.

Nach einem Snack begleiteten wir die Schüler zu einem Workshop im Archaeolab, in dem die Schüler eine Einführung in die Kräuterwelt Kretas bekamen und eine Aloe vera-Creme herstellten, während die Lehrer, die aus Platzgründen leider nicht teilnehmen konnten, in einem Kafenion gemütlich Kaffee tranken und sich austauschten. Zum Mittagessen mit Pizza und Sandwichs trafen sich beide Gruppen wieder in einem Restaurant am Strand. 

Nach einer kurzen Mittagspause versammelte sich die Gruppe wieder in einem Klassenraum der Schule und wurde live ins 175 km entfernte CRETAquarium Thalassokosmos von Heraklion geschaltet, wo ein Mitarbeiter uns mit seinem Laptop durch das Aquarium führte und die artenreichen Mikro-Ökosysteme des Mittelmeeres mit ihren zahlreichen Lebenwesen und Verflechtungen vorstellte, aber auch auf die Eingriffe des Menschen in diese Ökosysteme und den Naturschutz einging.

Anschließend trafen wir uns zu einem ersten Gruppenfoto vor dem Kulturzentrum Tsatsaronakeio der Stadt, zu dem wir die wenigen Momente Sonnenschein des Tages ausnutzten. Im Kulturzentrum wurden von Schülern und Musiklehrern traditionelle griechische Musikinstrumente wie die Laute, die Geige oder die kretische Mandoline zu Gehör gebracht. Sehr interessant war, dass die Schüler das Instrument nicht nach Noten lernen, sondern nach Gehör und Gefühl. Nach so vielen neuen Erfahrungen ließen wir den Tag beim gemeinschaftlichen Abendessen in einem Restaurant des Ortes ausklingen. Mit einer Präsentation wurden verschiedene griechische – pardon, kretische Melodien, Rhythmen und Tänze sowie Interpreten vorgestellt.

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Tag 2 – 22.03.22

Eigentlich hörte man an fast allen Tagen von allen Seiten Entschuldigungen über das schlechte Wetter, das es just in dieser Woche auf Kreta geben würde. In der Tat lagen die Temperaturen auch tagsüber nicht im zweistelligen Bereich. Dazu wehte ein böiger, mitunter stürmischer Wind und trieb uns beizeiten Regen ins Gesicht. Insbesondere nachts gab es auch einige Gewitter. Insofern konnte man die Sorge der Griechen verstehen, dass der für heute geplante Ausflug nach Elafonissi im Süden der Insel buchstäblich „ins Wasser fallen“ könnte. Da wir aber schon in der Woche zuvor den Wetterbericht studiert hatten, ware wir darauf gefasst und vorbereitet. Und es ist dann doch ein sehr schöner Ausflug mit dem Bus geworden, der uns über Bergstraßen durch die Tiflos-Schlucht zwischen Topolia und Koutsamatados zum für seinen pinken Sand berühmten Strand von Elafonissis bringen sollte. Aber der Reihe nach: Zunächst ging es durch das Hinterland von Kissamos, vorbei an ausgedehnten Oliverhainen immer weiter hinein ins kretische Schiefergebirge. An einer über 1000 Jahre alten und über 10 m im Durchmesser fassende Platane (Platanus orientalis) im Weiler von Vlatos, die zum Naturdenkmal erklärt wurde, machten wir einen kurzen Halt, um die mächtige Krone und die verdrehten und verwundenen Äste, die sich schon kurz über der Oberfläche verzweigen, zu bestaunen. Weiter südlich dominierte dann die Macchie mit ihren typischen polsterförmigen Sträuchern.

Einen weiteren Zwischenstop machten wir beim griechisch-orthodoxen Kloster Panagia Chrissoskalitissa aus dem 17. Jahrhundert. Das Wetter war gnädig mit uns, so dass wir das Kloster in einer Regenpause besichtigen konnten. Um das Kloster ranken sich einige Legenden. Der Name Chrysoskalitissa (auf Gold geschnitzt) kommt angeblich daher, dass eine der fast 100 Stufen, die zum Kloster führen, aus Gold gewesen sein soll. Diese Stufe soll vom Patriarchat jedoch an die Türken verkauft worden sein, um die Steuern zu zahlen. Eine weitere Legende, die am Eingang zum Kloster auf einem Schild zu lesen ist, besagt, dass zu Ostern 1824 osmanische Soldaten das Kloster plündern und zerstören wollten. Auf dem Weg die Stufen hinauf sollen sie jedoch von einem Bienenschwarm angegriffen worden sein, so dass sie ihr Vorhaben aufgeben mussten.

Besondere Pflanzen, die unseren Weg säumten, waren Kapernsträucher (Capparis spinosa), die eindemische kretische Rutenglockenblume (Petromarula pinnata) und das von Januar bis März blühende gelbe Skorpionsveilchen (Viola scorpiuroides). Die Umgebung des Klosters ist geprägt durch Phrygana (im westlichen Mittelmeerraum auch Garrigue genannt): Holzige Gewächse bis zu einem Meter Höhe, die im Gegensatz zur Macchie auch ohne Wuchsbehinderung (Windschur, Beweidung durch Schafe und Ziegen) nie baumartig wachsen würden. Neben der Baum-Wolfsmilch (Euphorbia dendroides) ist auch der Affodill (Asphodelus aestivus oder A. microcarpus) typisch, ein Liliengewächs. Für die alten Griechen war er die typische Pflanze der Unterwelt, die Homer in seiner Odyssee sogar als Asphodelenwiese bezeichnet. Die stärkehaltige Wurzelknolle wurde den Verstorbenen mit ins Jenseits gegeben. Später wurden die Wurzeln in Notzeiten als Brei zusammen mit Feigen gegessen.

Ein paar Kilometer weiter südlich liegt eine traumhafte, aber leider auch touristisch immer mehr erschlossene Lagune, die vor einigen Jahren noch als Geheimtip galt – die Bucht von Elafonissi, mit einem ausgedehnten Sandstrand, der gesäumt wird von ausgedehnten Tamariskenbeständen (Tamarix articulata), die vor Wind und Sonne Schutz bieten und hohe Salzgehalte in alkalischem Boden vertragen. Man kann über eine ca. 150 m breite Wasserstraße zur kleinen Insel Elafonisi waten. Typische Pflanzenarten sind hier die rosettenartig wachsende Zwergflockenblume (Centaurea bella), der Meerfenchel (Crithmum maritimum),  der Salz-Alant (Limbarda crithmoides) und der Dorniger Kapern­strauch (Capparis spinosa).

Die Besonderheit dieses Strands liegt jedoch in etwas anderem: Durch winzige teils zerbrochene Kalkskelette von Forminiferen schimmert der Sand an vielen Stellen rosa, insbesondere, wenn er nass ist – ein Phänomen, das nur an wenigen Stränden weltweit zu beobachten ist. Foraminiferen (Kammerlinge) bezeichnen eine sehr artenreiche Gruppe von Einzellern (Rhizaria, ca. 12000 Arten), die meist ein poröses Gehäuse aus Kalk tragen und deren Schalen, wenn sie an den Strand gespült werden, zerkleinert und zerrieben werden und dem Strand die bisweilen stark ausgeprägte rosa Farbe verleihen. Es gibt wissenschaftliche Belege, dass gerade „umweltfreundliche“ Sonnenschutzmittel den Foraminiferen bzw. den Kieselalgen, mit denen sie in Symbiose leben, sehr schaden – im Verdacht stehen hier die auch in anderen Zusammenhängen schon als bedenklich eingestuften Metall-Nanopartikel wie Titandioxid oder Zinkoxid. Aufgrund des mengenmäßig großen Vorkommens an Foraminiferen weltweit und deren Aufnahme von Phytoplankton kann davon ausgegangen werden, dass sie einen wesentlichen Beitrag zum globalen marinen Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf leisten, so dass eine Beeinträchtigung dieser Organismengruppe als relevant für den Klimawandel bezeichnet werden kann.

Nachdem wir auch am Strand von Elafonissi wieder eine Regenpause erwischt hatten und sogar einige sonnige Momente genießen konnten, wurde es Zeit für eine Stärkung des leiblichen Wohls. Auf dem Rückweg fanden einige Schüler aus Italien und Deutschland noch eine kleine Sensation, die im Sand vergraben war und deren Entdeckung im Film festgehalten wurde: Es fanden sich Hinweise auf rezente Dinosaurier, da man ein noch wenig verwestes Exemplar eines Dinosaurier-Babys nur wenig unter der Sandoberfläche ausgraben konnte. Erstaunlicherweise war die Haut leuchtend gelb und das Tier – aus Plastik!

In einem Kafenion konnten wir schließlich Baguettes und Heißgetränke zu uns nehmen. Auf dem Rückweg durch die Tiflos-Schlucht hielten wir noch an, um zur oberhalb der Straße gelegenen Tropfsteinhöhle der Agia Sofia hinaufzusteigen. Eine gut begehbare Treppe aus Naturstein führt geschätzte 200 Stufen hinauf zu einer offenen, etwa 20 m hohen und ca. 100 m breiten Höhle, von der aus man einen fantastischen Blick in die Schlucht genießen kann. Seitlich an der Felswand befindet sich die Kirche Agia Sofia, den Blick auf sich ziehen jedoch die beeindruckenden Stalagtitenformationen. Da die Kalkfelsen im hinteren, dunklen Teil der Höhle nass und glitschig waren, war der Rundgang für viele von uns ein wenig beschwerlich – wenigstens die Taschenlampen der Smartphones konnten den Weg ein wenig ausleuchten. Die Höhlendecke wird von einigen Tauben besiedelt, die hin und wieder erschreckt umherflatterten und sich einen neuen Ruheplatz suchen mussten. Zur typischen Vegetation der Felsspalten an den Steilhängen in der Schlucht zählen die silberweiße Flockenblume (Centaurea argentea), die weißblühende kugelige Beilwicke (Securigera globosa), die Scheinfichten-Kratzdistel (Ptilostemon chamaepeuce) und der kretische Ebenholzstrauch (Ebenus cretica), ein endemischer Schmetterlingsstrauch, der im Mai hier die Hänge „rosa färbt“.

An diesem Abend besuchten wir schließlich noch ein typisch kretisches Restaurant nahe dem alten Hafen von Kissamos – Stimadoris. Bei gutem Essen (meat und sea food) und mit guter Laune kamen Schüler und Lehrer ins Gespräch. Beim abschließenden Raki mit dem Wirt wurde die Zahl der Aktivisten jedoch schnell deutlich kleiner. Es scheint nicht jedermanns Getränk zu sein.

Tag 3 – 23.03.22

Auf dem Plan für den Tag standen ausgedehnte Wanderungen oder Spaziergänge mit Naturbeobachtungen in der Umgebung von Kissamos. Angesichts des Wetters hatten wir jedoch glücklicherweise einen Bus zur Verfügung, der uns ins Hinterland von Kissamos nach Polyrrhenia brachte. Auf der Fahrt und vor Ort erzählte uns K. Chartzoulakis, der ehemalige Direktor des Instituts für Olivenbäume und Subtropische Pflanzen in Chania, einige interssante Fakten über die Olivenölproduktion in Westkreta. Auf das in Apulien und anderen Ölanbaugebieten Europas durch das „Killer“-Bakterium Xylella fastidiosa verursachte Absterben der Olivenbäume (Olea europaea) und den Kahlschlag als Schutzmaßnahme angesprochen, äußerte er sich sehr besorgt: „Wir unternehmen alles, um das Bakterien nicht nach Kreta einzuschleppen. Zum Glück ist uns das bisher gelungen. Es ist zurzeit jedoch noch keine Unterart bzw. kein Kultivar bekannt, der resisten gegen Xylella wäre.“ Xylella vermehrt sich rasant in den Leitbahnen der Bäume und verhindern so den Wassertransport im Holz, so dass die Bäume langsam absterben. Um die Verbreitung zu verhindern, müssen die infizierten Bäume immer so schnell wie möglich gerodet werden.

Bei Ankunft in Polyrrhenia versuchte Roberto, die ganze Gruppe zu einem Sonnentanz zu animieren. Kurz danach schien auch ein paar Minuten die Sonne. Beim ersten Versuch, die alte Stadt zu erkunden, goß es jedoch in Strömen, so dass wir im Bus Zuflucht suchten und fanden. Auf die Frage hin, ob er sich bei seinem Beschwörungsritual nicht vielleicht vertan habe, tat er ganz unschuldig, aber wir gewährten ihm noch eine zweite Chance. Im zweiten Anlauf erwischten wir jedoch eine etwas größeres Regenloch und erkundeten die Reste der auf einem Hügel liegenden antiken Akropolis, während die Flanken des Hügels zahlreiche verfallene Strukturen alter Häuser, Brunnen und Grabstätten aufweisen, die uns bei zeitweisen teils heftigen Regengüssen und Hagelschauern auch Unterschlupf boten. Die Bedeutung der  etwa 30 ha großen Stadt für Westkreta erschließt sich nicht nur durch die Reste der mächtigen Stadtmauer mit Wehrtürmen, sondern auch durch seine zentrale Lage mit Bezug zu den Häfen in Kissamos und Falasarna. In der „Kirche der 99 Heiligen Väter“, die wir aufgrund des einsetzenden heftigen regens zweimal aufsuchten, sind verschiedene Inschriften aus der Stadt verbaut. Zum Bau der Kirche wurden auch Steine aus den Ruinen des alten Polyrrhenia verwendet. Interessant war auch die Erzählung, wie nach dem Dreschen durch die Ausnutzung des für alle spärbaren Winds die Spreu vom Getreide getrennt wurde. Trotz des bescheidenen Wetters konnte man doch einen großartigen Blick auf die Bucht von Kissamos erhaschen.

Der Bus brachte uns anschließend wieder nach Kissamos zurück, wo wir das Archaeologische Museum von Kissamos besichtigten. Viele kennen Knossos als berühmteste Tempelanlage minoischer Baukunst. Kissamos wurde auf einer ähnlichen alten minoischen Stadt aufgebaut, daher ist die „alte Stadt“ heute unter Kissamos verborgen – ebenso wie in Chania auch. Bei einem Neubauprojekt rücken also zunächst Archäologen an, um den Untergrund auf wertvolle archäologische Strukturen hin zu untersuchen – was mitunter schon mal Baustopp oder gar Bauverbot bedeuten kann. Unter römischer Herrschaft erlangte die Stadt im 3. Jh. n. Chr. eine gewisse Selbständigkeit, die sich in einigen Funden manifestieren, die nicht überall zu finden sind, z.B. Reste eines Theaters, eine Badeanlage, eine Zisterne und Reste eines Aquädukts. Im 12. Jahrhundert wurde Kissamos von den Genuesern, später dann von den Venezianern, die die Stadt auch befestigten, wofür sie das bisher verwendete Material sozusagen recycelten. Das Kastell, das der Stadt auch den zwischenzeitlichen Namen Kastelli vermachte, fiel 1645 an die Türken und war seitdem von Türken und Kretern immer wieder umkämpft.

Nach dem Museumsbesuch stiegen wir in bereitstehende Minibusse, um erneut einige Sehenswürdigkeiten rund um Kissamos zu besichtigen. Die Norweger waren leider nicht auffindbar, so dass wir die Fahrt ohne sie antreten mussten. Zunächst besichtigten wir die Komolithi-Sandhügel, bizarre Lehmformationen an der Verbindungsstraße zwischen Kissamos und Paleochora gelegen, die ein wenig an Kappadozien in Zentral-Anatolien (Türkei) erinnerten. Dieses Gebiet hat sich aufgrund der Hebung Westkretas vom Meeresboden zu einer riesigen Sandgrube entwickelt und man stellte sich vor, dass man vor langer Zeit hier Haien hätte begegnen können. Die sonnigen Abschnitte wurden für Gruppenfotos genutzt, da es zuvor aber mal wieder geregnet hatte, war der Sandboden eher lehmig-schlammig und verwandelte die Schuhe in kurzer Zeit in schwere Betonklötze – insbesondere die weißen Sneaker. Wenig später sah man die Gruppe im Gras am Straßenrand scharren, bevor man wieder in den Bus durfte. Spaß hat´s jedenfalls gemacht, was am aber selbst am nächsten Morgen noch auf der Marmortreppe im Hotel beobachten konnte.

Nach einem kurzen Abstecher zu einer alten venizianischen Brücke über den Fluß (potamos) Rema und vorbei an einigen wirklich aufwendig von ausländischen Käufern modernisierten Bauernhöfen in der Gegend wurden wir vom Gemeinderat in der H XARA Cafe & Tavern zu einem reich­haltigen und leckeren Mittagessen eingeladen. In einer kleinen Ansprache betonte der Bürgermeister, wie wichtig es ist, diese Art des Austauschs zwischen Schulen zu fördern, um andere Kulturen kennenzulernen und das Verständnis zwischen verschiedenen Nationen zu verbessern. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um uns noch einmal für die Einladung zu bedanken und wissen die Gastfreundschaft sehr zu schätzen, und ja – wir haben unseren Aufenthalt in Kissamos mit all unseren neuen Freunden genossen.

Zurück im Hotel konnten sich die meisten von uns ein wenig ausruhen und erholen. Die Koordinatoren der Partnerschulen trafen sich jedoch noch in der Lobby des Hotels, um Details zu den weiteren anstehenden Reisen nach Sevilla und Stolberg abzusprechen und die Zeitfenster für die Reisen im kommenden Schuljahr einzugrenzen.

Am Abend trafen sich alle in der Stadthalle zum Austausch und zur gegenseitigen Vorstellung der Schulen, der Regionen und der bisherigen Aktivitäten im Projekt, wobei auch weitere Lehrer und der Schulleiter der 1st High School Kissamos hinzukamen. Die Stadthalle bot eine Bühne, die einige Gruppen für ihre Präsentationen nutzten. Die Gruppe aus Lettland begann mit einer Präsentation ihrer Stadt und der Schule. Die Spannung stieg, als das Publikum zu einem Kahoot-Quiz über die vorgetragenen Facts aufgerufen wurde. In einer weiteren Präsentation wurde wichtige Tier- und Pflanzenarten der verschiedenen Lebensräume rund um Jelgava vorgestellt. Als nächste Gruppe stellte unsere Stolberger Delegation die Schule, unsere musikalischen Aktivitäten, die Stadt, die Lebensräume mit ihren charakteristischen Leitarten und ein wenig auch die Kultur in der näheren Umgebung vor. Anschließend wurden Aachener Printen zum Probieren verteilt.

Die Gruppe aus Monopoli führte uns zunächst virtuell durch ihre Schule, stellte uns anschließend typische italiensiche Tänze wie z.B. die Tarantella vor, bevor sie – im Tanzkostüm – selbst einen Tanz aufführten. Schließlich präsentierten auch die Schüler aus Trondheim ihre Schule und führten zwei Tänze auf: Den Halling, ein Männertanz mit athletischen Elementen, um den Mädels zu imponieren, insbesondere durch das Wegschlagen eines dargebotenen Huts im Sprung mit dem Fuß. Die Mädchen der Gruppe revanchierten sich mit einem Aattetur, ein Kreistanz im ¾ Takt.

Abschließend tanzte die Gruppe aus Kissamos noch zu Klängen der Laute und Geige. Danach wurden auch alle Gäste eingeladen, mitzutanzen, was zu einigem Trubel auf der Bühne führte, doch alle gewillten Tänzen fanden ausreichend Platz. Quasi als Zugabe ließ es sich Roberto nicht nehmen, zusammen mit den griechischen Schülern einen Sirtaki zu tanzen – mit einer Leidenschaft, die viele in Erstaunen versetzte.

Und so war die Stärkung mit selbstgebackenem, typisch griechischen Gebäck, das die Lehrer, ihre Familienangehörigen und vermutlich auch noch weitere im Hintergrund agierende Verwandte reichhaltig herbeizauberten. Die Schüler aller Nationen fanden sich jedoch recht schnell wieder auf der Bühne, um gemeinsam moderne Tanzformen auszu­probieren, die von einer Computeranimation vorgeben wurde und die alle brav nachmachten und – ihren Spaß dabei hatten!

Tag 4 – 24.03.22

Nach dem Frühstück brachen wir nach Chania auf, um den Flora und Fauna Park der Technical University of Crete zu besuchen. A. Zacharouli (Agriculturist), führte uns durch den 2004 eingeweihten Park, der sich ohne menschliche Eingriffe entwickeln darf: „Natur Natur sein lassen“. In einer Zeit, in der Artenschwund v.a. durch die Zerstörung von Lebensräumen alarmierende Ausmaße annimmt, stellt der 30 Hektar große Park ein kleines, aber wichtiges Gebiet dar, in dem einheimische Pflanzen und Tiere geschützt sind. In der Vergangenheit wurde das Gebiet als Weideland und für die Landwirtschaft genutzt, eine Tätigkeit, die auch noch lange nach dem Erwerb des Geländes durch die Technische Universität Kreta fortgesetzt wurde. Im Jahr 1994 wurde das Land eingezäunt und der Zugang für Jäger, Hirten und Pflanzensammler untersagt. Seitdem steht das Gebiet unter Naturschutz. Zurzeit wird nur der Olivenhain von den Parkmitarbeitern biologisch bewirtschaftet. Besonders interessant war die Beteiligung des Parks  am Reveil-Festival mit der Präsentation der Flora und Fauna Preservation Park Soundscape. Die Kunstkooperative Soundcamp organisierte das Online-Festival Anfang Mai 2021, eine kollektive Produktion von Streamern an Hörstationen rund um den Planeten. Die Übertragung begann am Samstagmorgen des 1. Mai in Südlondon in der Nähe des Greenwich-Meridians und verfolgte den Sonnenaufgang im Westen von Mikrofon zu Mikrofon, wobei sie der Welle des verstärkten Klangs folgte, die die Erde alle 24 Stunden beim ersten Licht umkreist. Reveil übertrug die Klänge von offenen Live-Mikrofonen, die von Streamern auf der Locus Sonus Soundmap, dem Cyberforest-Programm, dem LIDO-Tiefsee-Hydrophon-Observatorium, dem BIOM Open Microphone Network und anderen Orten betrieben wurden. Das Spektrum reicht von formeller Forschung bis hin zu privaten Projekten und einmaligen Sendungen. Die bereitgestellten Klänge wurden live gemischt. Das Streaming der Park-Soundscape wird dauerhaft für weitere Studien und zur Unterstützung einer Reihe von Bildungsaktionen zu den Themen akustische Werte und biologische Vielfalt genutzt werden.

Nach einer Pause mit Picknick im Park brachen wir nach Chania auf, um zunächst von außerhalb von den Hügeln der Venizelos Gräber einen Blick auf die Stadt und die weißen Berge zu werfen. Auch wenn die Geschichte des Ortes ein wenig zu kurz kam, genossen wir doch die längeren sonnigen Abschnitte und die Aussicht auf die Stadt. Der Ort eignete sich hervorragend für ein Gruppenfoto.

Leider musste der geplante Workshop des Baus traditioneller Musikinstrumente mit Naturmaterialien ausfallen, da der Referent erkrankt war. Also machten wir uns auf, Chania zu erkunden. Die Markthalle in Chania, in der man die vielfältigen kulturellen und kulinarischen Besonderheiten auf einem Fleck und mit allen Sinnen hätte genießen können, ist über mehrere Jahre geschlossen, da das Gebäude saniert werden muss.

E. Kournidaki, eine Französisch-Lehrerin der Schule, übernahm die Führung durch die Stadt, beginnend bei der orthodoxen Kathedrale, eine dreischiffige Basilika mit einem Glockenturm an der Fassade, von Chania wurde 1860 an der Stelle einer früheren Kirche errichtet, die der Jungfrau Maria gewidmet war. Von dort aus schlenderten wir durch die verwinkelten Gassen des malerischen Stadtviertels Topanas (Kanonenhof) mit venezianischen und türkischen Bauten innerhalb der Stadtmauern aus venezianischer Zeit, besichtigten kurz die heute wieder genutzte Etz-Hayyim-Synagoge (Baum des Lebens) mit ihren zwei Innenhöfen und erreichten am Marinemuseum den Hafen. Hier wurden wir für das spätere Mittagessen je nach Vorlieben schon mal in die Gruppen Beef, Vegetarian und Chicken eingeteilt. Auch wenn das Meer noch ziemlich aufgewühlt war und die Hafenmole es nicht wirklich beruhigen konnte, genossen wir bei unserer Hafenpromenade die vergleichsweise hohen Temperaturen und insbesondere die wärmenden Sonnen­strahlen des ersten Tages, an dem wir keinen Regen zu verzeichnen hatten. Vorbei an den venezianischen Arsenalen, Steinhallen mit wuchtigen Tonnengewölben bis zu unserem Restaurant am Beginn der Mole.  

Nach einem wie immer üppigen Mahl schlenderten wir zurück zur ehemaligen Moschee und genossen ein oder zwei Kaffee in der Nachmittagssonne oder erkundeten die Stadt noch einmal auf eigene Faust. Bei den Schülern war Shoppen angesagt – Mitbringsel von der Reise mussten ebenfalls noch besorgt werden. Und so verging die Zeit wie im Flug, bis wir uns alle wieder am Platz vor der Kirche trafen, um gemeinsam zum Bus zu gehen.

Wieder im Hotel angekommen, wurden wir noch mit Geschenken und Andenken der Gemeinde und der Lehrer überhäuft, worüber wir uns sehr gefreut haben. Anschließend trafen sich die Schüler untereinander, während die Lehrer noch gemeinsam zum kleinen Dinner im Ort aufbrachen, denn vom Lunch in Chania waren viele noch gesättigt. Da die Norweger und wir am nächsten Morgen schon um 04:45 Uhr mit dem Minibus zum Flughafen aufbrechen mussten, wurde dieser letzte Abend nicht noch bis auf die letzte Sekunde ausgekostet. Man verabschiedete sich jedoch herzlich voneinander mit dem Gefühl, neue Freunde gewonnen zu haben, und mit der Aussicht, sich bald in Sevilla, später dann in Stolberg oder im nächsten Schuljahr an anderen europäischen Orten wiederzusehen.

Wir möchten uns für die zahlreichen Eindrücke von dieser Reise, von denen sicherlich viele auch erst verarbeitet werden müssen, bei unseren Gastgebern bedanken, die sich fast rund um die Uhr um uns gekümmert haben, z.B. um eine vergessene Handtasche wieder zu besorgen, die leckeren Häppchen vorzubereiten und bereitzuhalten, um Unwägbarkeiten wie Wetterkapriolen zu trotzen, erkrankte und daher ausgefallene Mitwirkende zu ersetzen und trotz aller Widrigkeiten ein ausgewogenes und sehr attraktives Programm für uns alle auf die Beine gestellt zu haben. Ein herzliches Dankeschön auch an alle, die im Hintergrund das Projekt unterstützt haben. Und vor allem ein ganz herzliches Dankeschön für die unglaubliche Gastfreundschaft, die allzeit spürbar war und keinsfalls selbstverständlich ist. Wir haben uns sehr wohl gefühlt und hoffen, von diesem Geist der Freundschaft, die sich in dieser langersehnten ersten Woche des Kennenlernens entwickelt hat, bei Gelegenheit auch etwas zurückgeben zu können.

René Ostrowski

Project Coordinator Stolberg

 

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